Schwedt (MOZ) Sieben Gründungsmitglieder haben am Mittwoch den Verein Innovation Campus Metropolregion Berlin-Stettin aus der Taufe gehoben. Der neue Verein agiert unter dem Kürzel "meBEST". Es ist ein Spiel mit dem Wort Bester und den Städten Berlin und Stettin. Zwischen diesen Metropolen wollen Unternehmen der Uckermark ihre Kräfte bündeln. Die Strahlkraft reicht jetzt schon über die Uckermark hinaus.
Nährboden für Neues
Der Verein will Bildung und Forschung fördern und einen Campus in Schwedt entwickeln, der wissenschaftliche Veranstaltungen und Forschungsvorhaben durchführt und junge Firmen stärkt. So soll die Region für ausgebildete junge Leute interessant gemacht und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Zu den Gründungsmitgliedern gehören Manager und Präsidenten der Firmen Leipa, PCK, Butting, Verbio, der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde sowie der Unternehmervereinigung Uckermark.
Mit im Boot sitzt auch die Technologieinitiative Vorpommern aus Lubmin. "Die Achse Berlin-Stettin läuft an Vorpommern vorbei. Es ist aber wichtig, dass wir in den Köpfen der Politiker die Grenzen zwischen Vorpommern und der Uckermark streichen", begründet Vorstandsvorsitzender Gerhard Seewald, warum die Technologieinitiative zu den Gründungsmitgliedern zählt. Er wolle nicht, dass die Campusidee an Vorpommern vorbeigeht. "Wir bringen uns hier ganz intensiv mit ein und wollen Arbeitsplätze in Verbindung von Industrie und Wissenschaft schaffen. Auch den nuklearen Rückbau in Lubmin können wir in die Campusarbeit einbeziehen." Die Hochschule Stralsund hat ihren Willen zur Mitarbeit ebenso bekundet. Professor Alexander Pfriem, Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer an der Hochschule Eberswalde sagt: "Ich freue mich, dass Vorpommern mit am Tisch sitzt. Die Gründungsmitglieder sind seit Jahren unsere Partner und wir unterstützen die Idee von Wissenschaft und Weiterbildung."
"Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zu den Hochschulen, sondern wollen ein Weiterbildungsangebot schaffen, das der Industrie dient", macht Ulrich Menter deutlich. Er ist selbst Unternehmer und seit April 2018 Präsident der Unternehmervereinigung Uckermark. Die Gründungsversammlung des Campus-Vereins hat ihn zum 1. Vorsitzenden gewählt. 2. Vorsitzender ist Felix Lösch, Logistikdirektor in der Leipa-Papierfabrik. Kassenwart ist Silvia Uhliar (PCK).
"Der Verein ist ein starkes Team und wird das ambitionierte Projekt umsetzen", gibt sich Ulrich Menter zuversichtlich. Zu den ersten Aktivitäten sollen Vorlesungen mit Unternehmensbeteiligung in Schwedt gehören sowie unternehmensnahe Fortbildungsangebote. Auf der Waldsportanlage soll ein Campus gebaut werden. Engagierte Zeitschiene: In drei Jahren.
Eva-Martina Weyer/ 16.08.2019
Bundesarbeitsminister zu Gast in Schwedt
https://www.um-tv.de/mediathek/22258/Innovationscampus_geplant.html
Technologieinitiative Vorpommern aktuell
Pioniere für die Zukunft
Die Initiatoren und Mitgliedsunternehmen der Technologieinitiative Vorpommern nutzten den Rahmen der VBG-Fachtagung Dampferzeuger, Industrie- und Heizkraftwerke 2018 im Kongress Center der Yachthafen-Residenz „Hohe Düne“ zu einem Round Table mit Dr. Stefan Rudolph, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommerns, um über die Herausforderung des Kernkraftwerkrückbaus zu diskutieren.
Der Rückbau von Kernkraftwerken erfordert neue Technologien. Ziel ist es, die anfallenden Materialien fach- und sachgerecht – bestenfalls am Standort des Kraftwerkes – zu dekontaminieren. Mit der Gründung der Technologieinitiative Vorpommern am Standort des ehemaligen Kernkraftwerkes Lubmin schufen die Initiatoren um den Vorstandsvorsitzenden Gerhard Seewald wesentliche Voraussetzungen, die dafür notwendigen Kompetenzen zu bündeln. Die Technologieinitiative Vorpommern präsentiert sich heute als ein starker Industrieverbund von Unternehmen, die über das notwendige technische Know-how und ein wertvolles Erfahrungspotential verfügen. Die Unternehmen benötigen für die praktische Umsetzung gut aus- und weitergebildete Fachkräfte, die in den Kernkraftwerken tätig werden, um rückbauen zu können. Staatsekretär Dr. Stefan Rudolph beabsichtigt, die Möglichkeiten der Politik zu nutzen und Kampagnen in der Öffentlichkeit zu unterstützen, die die beruflichen Chancen für junge Menschen beim Rückbau von Kernkraftwerken vorstellen. Chancen, die ihnen für eine lohnende berufliche Karriere in Mecklenburg-Vorpommern geboten werden. „Wir wollen und werden mit jungen Leuten reden, um sie für eine berufliche Perspektive bei uns zu gewinnen und vor allem auch mit denjenigen sprechen, die wieder gern nach Vorpommern zurückkommen wollen“, sagte Gerhard Seewald.
Zu den wichtigen Ergebnissen der Warnemünder Gesprächsrunde am 21. März 2018 zählte die Einladung des Staatssekretärs eines kleinen Teams der Technologieinitiative in das Ministerium nach Schwerin, um das weitere Vorgehen zu konkretisieren. Unmittelbar nach Abschluss des Treffens positionierte sich Staatssekretär Dr. Rudolph zur Technologieinitiative Vorpommern.
Das öffentliche Interesse an der Technologieinitiative Vorpommern ist inzwischen groß. Wie ist Ihre Meinung über die Entwicklung eines inzwischen schlagkräftigen Verbundes der Industrie in Mecklenburg-Vorpommern?
Dr. Stefan Rudolph:
“Wir brauchen diese Technologieinitiative in Vorpommern unbedingt. Wenn wir das Know-how unserer Vorpommerschen Firmen bündeln, zugleich über den Tellerrand schauen und auch andere Spezialisten mit einladen – wie hier beispielsweise konkret Unternehmen der Industrie aus Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und der Schweiz – dann werden wir die richtigen Lösungen für die enormen Herausforderungen beim Kraftwerksservice finden und anbieten können, die bisher schlicht nicht gefunden wurden und ohne uns auch sehr viel später erst gefunden werden würden. Wenn wir es schaffen, dass die Technologieinitiative Vorpommern als eingetragener Verein mit dem dazugehörigen Netzwerk “Ganzheitlicher Kraftwerksservice“ sich als Lösungsfinder unserer Kraftwerksindustrie so weiter entwickelt wie bisher, dann werden wir sehr schnell die regionale und überregionale Wertschöpfung steigern, Arbeitsplätze sichern und neue Industrie- und dienstleistungsarbeitsplätze schaffen. Ich bin stolz darauf, dass unsere junge Technologieinitiative Vorpommern so dynamisch intellektuelles Knowhow mit dem Ziel zu bündeln vermag, Produkte zu entwickeln und anzubieten, die der Markt, bis hin zum Weltmarkt, dringend braucht. Zudem können wir zeigen, dass Mecklenburg-Vorpommern ein wirklich aufstrebender, vom Know-how getragener Wirtschafts- und Geschäftsstandort ist. Natürlich bin ich mir dessen bewusst, wir haben unverändert einen energiereichen und ideenzerrenden Weg beim Schließen von Abstandslücken zu anderen vor uns. Aber wir gehen diesen Weg zielgerichtet und brauchen dabei unbedingt solche Wohlstandstreiber wie die Industrieinitiative Vorpommern.“.
Was können Sie für die Technologieinitiative Vorpommern tun?
Dr. Stefan Rudolph:
“Ich arbeite in enger Abstimmung mit den Mitgliedern daran mit, die vielen Interessen und Ideen aller Aktiven zu bündeln und sorge mit dafür, dass das Netzwerk „Ganzheitliches Kraftwerksservice“ wertschöpfungsrelevant erfolgreich sein kann und dass es die dazu notwendige Zeit auch bekommt. Denn, was hier in der Technologieinitiative Vorpommern passiert, ist absolut hochwertig und bedarf auch Zeit. Als mich der Präsident des Unternehmerverbandes Vorpommern, Gerold Jürgens, und der Vorstandsvorsitzende, Gerhard Seewald, danach fragten, noch andere Unternehmen der Kraftwerksindustrie einzuladen, um Denk- und Entwicklungsprozesse zu beschleunigen und noch marktgerechter agieren zu können, um eine Win-win-Situation für Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen, half ich gerne und stellte neue Kontakte her. Die Technologieinitiative Vorpommern tut unserer Volkswirtschaft gut.“
Gibt es bereits konkrete Hilfe?
Dr. Stefan Rudolph:
„Ja, selbstverständlich. Unser Wirtschaftsminister, Harry Glawe, unterstützt durch unser Ministerium das Netzwerk „Ganzheitlicher Kraftwerksservice“ zum Beispiel für drei Jahre mit insgesamt 200.000 Euro. Zusätzlich bringen die Netzwerkpartner einen Eigenanteil von 75.000 Euro auf. Wir leisten im Auftrag und mit dem Geld unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler konkrete Starthilfe. Der Verbund für Ganzheitlichen Kraftwerksservice muss jedoch auch lernen, in der Zukunft auf eigenen Beinen zu stehen.“
Die Diskussion brachte eine große argumentative Vielfalt an Ideen, Vorstellungen und Vorschlägen für künftigen Kraftwerksservice. Wie beurteilen Sie die Situation persönlich?
Dr. Stefan Rudolph:
“Ich weiß, die Beweggründe, Mitglied der Technologieinitiative und/oder des Netzwerks zu sein sind sehr unterschiedlich. Einige wurden Mitstreiter, weil sie für ihre Unternehmen hier Partner finden können. Andere brachten bereits konkrete technologische Fragestellungen mit, die sie bisher aus eigener Kraft nicht marktfähig beantworten konnten. Tatsächlich fand sich vor Ort in Vorpommern eine Gruppe zusammen, die sich dem Rückbau der Kernkraftwerke verschrieben hat. Ein Großrückbau, der unendlich viele technologisch hoch komplexe Fragen aufwirft, von denen die meisten bisher weltweit unbeantwortet sind. Die Mitglieder dieser Technologieinitiative und des Netzwerkes sind Pioniere einer auf Jahrzehnte anstehenden Herausforderung, des weltweiten nachhaltigen Rückbaus von Kernkraftwerden bei gleichzeitiger Sicherung des wachsenden Bedarfes an Energie durch Kraftwerke der Zukunft. Wenn wir hier in Lubmin das Zusammenfinden dieser Pioniere klug angehen, dann erwirtschaften wir eine solche Reputation am Markt und einen solchen technologischen Vorsprung gegenüber anderen Anbietern, die uns als ein Alleinstellungsmerkmale höchsten Niveaus gut zu Gesicht stehen. So sichert die Technologieinitiative und ihr Netzwerk Arbeit und Wohlstand für morgen und übermorgen in Mecklenburg-Vorpommern und weit darüber hinaus.“
Welche Möglichkeiten sehen Sie dafür, die Aus- und Fortbildung der notwendigen Fachkräfte auf den Weg zu bringen?
Dr. Stefan Rudolph:
“Kernkraftwerke müssen weltweit zurückgebaut werden. Das kann man ja gerne beschließen. Nur wäre es dann auch ganz gut, wenn es jemand kann. Kernkraftrückbau ist nicht trivial, sondern höchst komplex! Nur ein kleines Beispiel lässt schon ahnen, worum es geht. Wenn wir Rückbautechnologien entwickeln, müssen wir elementare ingenieurtechnische Fragen höchsten Anspruches beantworten: Wie gehen wir mit dem Bauschutt um, der beim Rückbau anfällt? Wie dekontaminieren wir ihn wenn möglich gleich vor Ort und auf welche Art und Weise beherrschen wir den Umgang mit den dabei anfallenden Flüssigkeiten, Säuren und Stäuben, bis hin zur nicht auszuschließenden Notwendigkeit der Dekontamination, ohne weite Wege? Müssen Rückbaustoffe aufwendig in entfernte Sammelstellen transportiert werden oder können sie bereits dort, wo der Rückbau stattfindet, dekontaminiert werden? Wenn ja, wie? Für die Lösung dieser spannenden Aufgaben gibt es jetzt das Netzwerk für den Ganzheitlichen Kraftwerksservice der Technologieinitiative Vorpommern e.V., das bereits sowohl Dienstleistungen anbietet als auch neue anwendbare Verfahren entwickelt. Dafür brauchen wir Fachkräfte. Das heißt, wir müssen beides zeitgleich verfolgen – Know-how entwickeln und Fachkräfte ausbilden. Deswegen müssen wir – wie auch unser heutiges Gespräch zeigte – zeitgleich über entsprechende Fachkräfte und Auszubildende nachdenken, während wir über Machbarkeit und Umsetzung neuer Technologien und Verfahren in Kernkraftwerken reden. Wir werden die neue Qualifizierungsrichtlinie unseres Wirtschaftsministeriums nutzen und mit den Wirtschaftskammern sowie mit der Bundesagentur für Arbeit und mit Berufsbildungszentren ins Gespräch gehen, auch hier gut und zusammen zu arbeiten. Unsere Fachkräftekampagne „Durchstarten in MV - Dein Land - Deine Chance!“ werden wir entsprechend bereichern.“
Vielen Dank für die gehaltvollen Antworten.
Bernd Fiehöfer